Luna 2: Luna - Wolfsmond by Ian McDonald

Autor:Ian McDonald [McDonald, Ian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Science Fiction
ISBN: 9783641193010
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2017-05-08T22:00:00+00:00

7 LIBRA – SCORPIO 2105

Der Mondadler serviert Martinis von außerordentlicher Erlesenheit. Trotzdem lässt Ariel den ihren auf dem polierten Steintisch stehen.

»Ich dachte, in irgendeiner Quadra ist immer Martini-Zeit.« Der Adler klingt verwundert.

»Heute ist mir nicht danach.«

Unter dem kunstvollen Pflanzendach des Orangenpavillons, am Rand der atemberaubenden Rotunde des Antares-Hubs sitzen sie einander gegenüber. Über die Brücken und Übergänge braust später Verkehr, und Seilbahnen schaukeln in beiden Richtungen durch die Luft. Die Sonnenlinie verdunkelt sich bereits zum Abend, und die Straßenlampen springen an, als sich das Tageslicht zu den äußersten Enden der Prospekte zurückzieht. Als Ariel zum letzten Mal an diesem Aussichtspunkt saß und das umwerfende Panorama genoss, war es Morgen. Bei ihrem letzten Besuch des Horsts befahl der Mondadler eine dynastische Ehe zwischen den Häusern Corta und Mackenzie. Lucasinho und Denny. Die Bergamotten an den Zierbäumen tragen noch immer Spuren der silbernen Farbe von der Hochzeitsdekoration.

»Sie schulden mir eine Erklärung, Jonathon.«

»Der Vorstand stand kurz davor, einen Misstrauensantrag zu stellen. Dem bin ich zuvorgekommen.«

»Sie haben die Mitglieder als Geiseln genommen.«

»Ich habe sie unter Hausarrest gestellt.«

»Unser Rechtssystem kennt keinen Arrest. Sie haben sie entführt und halten sie fest. Wo sind sie?«

»Unter Bewachung in ihren Apartments. Als Vorsichtsmaßnahme habe ich ihre Atemfrequenz heruntergefahren. Im Hinblick auf das Wohlverhalten wirkt das wahre Wunder.«

»In der Körperschaftsverfassung der Lunar Development Corporation gibt es keinen Artikel, der es Ihnen gestattet, die Vorstandsmitglieder zu verschleppen und festzuhalten.«

»Wir sind hier auf dem Mond, Ariel. Wir machen, was wir wollen.«

»Soll ich hinschmeißen, Jonathon? Das werde ich nämlich, wenn Sie mich zum Narren halten. Da draußen warten achttausend gerichtliche Verfügungen, und ich bin die Einzige, die Sie davor schützt.«

»Ich habe einen Tipp bekommen, dass der Vorstand die Absicht hatte, mich bei diesem Treffen aus dem Amt zu entfernen.«

»Von Vidhya Rao.«

»Es hat den beabsichtigten Misstrauensantrag vorhergesagt. Der Versuch zur Amtsenthebung war von der Erde gesteuert. Die terrestrischen Nationalstaaten haben sich gegen mich verschworen.«

»Warum haben Sie mich engagiert, Jonathon?«

»Vidhya Raos Maschinen ziehen Schlüsse aus Mustern, die für Menschen häufig nicht erkennbar sind. So konnte es die Finanzflüsse durch ein verwirrendes Labyrinth von Briefkastenfirmen zu Staatsfonds zurückverfolgen. Die Fäden laufen bei jemandem zusammen, den Sie gut kennen. Bei Ihrem Bruder.«

Ariel schiebt sich ihre Clutch von Óscar de la Renta unter den Arm und dreht ihren Stuhl weg. »Fantasien, Jonathon. Paranoia. Ich kündige. Der Vertrag ist beendet. Ich vertrete Sie nicht mehr.«

Jonathon streckt den Arm über den Tisch und greift nach Ariels Handgelenk – eine verblüffend flinke Bewegung für einen Mann seiner Größe. »Lucas hat den Mordanschlag der Suns überlebt. Er ist vom Mond geflohen und hat Zuflucht bei WTO gefunden.«

»Lassen Sie mich los, Jonathon.« Sie schaut ihm in die Augen, und der Griff um ihr Handgelenk löst sich. Der Mondadler ist ein kräftiger Mann; seine Finger haben bleiche Abdrücke auf ihrer braunen Haut hinterlassen. »Sie haben mich als Schutzschild engagiert.«

»Ja.«

»Ich scheiße auf Sie, Jonathon.«

»Ich weiß. Also, kann ich auf Sie zählen?«

Ariel beäugt den Martini. Erhaben, kalt und stark. Sie hebt das Glas vom Tisch und nimmt einen kleinen Schluck. Klarheit, Gewissheit, Gelassenheit. »Bin ich in Gefahr, Jonathon?«

»Ich habe diesen Versuch einer Amtsenthebung vereitelt.

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